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Illustration: Mann sitzt am Schreibtisch mit seinem Handy zum Lernen
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Microlearning

Warum kurze Lerneinheiten effektiver sind als stundenlanges Pauken

Es ist 22 Uhr. Du sitzt seit fünf Stunden über deinen Pharmakologie-Unterlagen. Die Buchstaben verschwimmen vor deinen Augen. Du hast gefühlt hundert Medikamentennamen gelesen, aber wenn du ehrlich bist: Du könntest jetzt keine zehn davon fehlerfrei aufzählen.

Kommt dir bekannt vor?

Hier die Zahlen, die alles verändern könnten: 28% weniger Zeit. 20% bessere Ergebnisse.

Das ist kein Marketing-Versprechen, sondern das Ergebnis wissenschaftlicher Forschung zu Microlearning. Lass uns einen Blick darauf werfen, warum dein Gehirn kurze Lerneinheiten liebt – und lange Marathon-Sessions hasst.


Die Zahlen sprechen für sich

Wissenschaftler haben zwei Gruppen verglichen: Die einen haben mit langen Lerneinheiten gelernt, die anderen mit kurzen. Das Ergebnis? Die Microlearning-Gruppe war 28% schneller bei Prüfungsfragen und hatte 20% bessere Ergebnisse.

Aber es wird noch besser: In verschiedenen Studien mit Medizin-, Pflege- und Pharmakologie-Studierenden zeigte sich immer wieder dasselbe Muster – bessere Leistung, mehr Selbstvertrauen, höhere Zufriedenheit.

Die Botschaft ist klar: Weniger kann mehr sein.


Was ist Microlearning eigentlich?

Microlearning bedeutet: Kleine, verdauliche Informationseinheiten, die gezielt aufbereitet werden für schnellen Zugriff auf Smartphone, Tablet oder Computer.

  • Zeitrahmen: 1 bis 15 Minuten pro Lerneinheit

  • Kernelemente:

    • Flexibler Zugriff, orts- und zeitunabhängig

    • Multimediale Inhalte: Videos, Quizze, Karteikarten

    • Fokus auf spezifische Kompetenzen und Wissenslücken

    • Häufige Wiederholung in kurzen Abständen

Die Grundidee: Komplexe Themen werden in kleine Module aufgeteilt und über die Zeit verteilt. Dein Fokus liegt nur auf dem Lernziel der jeweiligen Einheit.


Der Showdown: 5 Stunden am Stück vs. 6x 15 Minuten

Lass uns zwei Szenarien vergleichen. Du musst Betablocker lernen.

Szenario A: Die Marathon-Session (5 Stunden)
  • 18:00 Uhr: Du startest motiviert. Wirkmechanismen, Indikationen, Kontraindikationen – alles macht Sinn.

  • 20:00 Uhr: Deine Konzentration lässt nach. Du liest denselben Absatz zum dritten Mal.

  • 21:30 Uhr: Welches Medikament hatte nochmal welche Nebenwirkung? Alles verschwimmt.

  • 23:00 Uhr: Du bist fertig. Erschöpft. Das Gefühl: "Ich habe viel Zeit investiert, aber was bleibt hängen?"

Problem: Dein Arbeitsgedächtnis ist überlastet. Die Informationsmenge überfordert deine kognitiven Kapazitäten. Unsicherheit entsteht.

Szenario B: Microlearning (6x 15 Minuten über 3 Tage)
  • Tag 1, Morgen (15 Min): Wirkmechanismus von Betablockern. Nur das. Du verstehst es wirklich.

  • Tag 1, Abend (15 Min): Die drei wichtigsten Vertreter. Fokussiert, ohne Ablenkung.

  • Tag 2, Morgen (15 Min): Indikationen. Konkrete Beispiele, kurz und prägnant.

  • Tag 2, Abend (15 Min): Kontraindikationen und warum sie existieren.

  • Tag 3, Morgen (15 Min): Nebenwirkungen und wie du sie erkennst.

  • Tag 3, Abend (15 Min): Wechselwirkungen und praktische Anwendung.

Ergebnis: Jede Einheit war verdaulich. Dein Gehirn konnte die Information verarbeiten. Über die Zeit verteilt festigt sich das Wissen. Wiederholungen finden automatisch statt.

Vorteil: Inhalte sind besser verdaulich und einfacher handhabbar. Höhere Informationsaufnahme mit besserer Behaltensleistung.


Warum dein Gehirn kurze Einheiten bevorzugt

1. Kognitive Last wird reduziert

Dein Arbeitsgedächtnis hat eine begrenzte Kapazität. Wenn du versuchst, zu viel auf einmal zu verarbeiten, wird es überlastet.

Stell dir vor, du jonglierst: Mit drei Bällen klappt's. Mit zehn Bällen gleichzeitig? Unmöglich. Dein Gehirn funktioniert ähnlich.

Microlearning gibt dir immer nur so viele "Bälle", wie du bewältigen kannst.

2. Spaced Repetition funktioniert besser

Lernen über die Zeit verteilt ist effektiver als geballtes Lernen. Durch kurze, häufige Wiederholungen in Abständen verfestigt sich Wissen im Langzeitgedächtnis.

Bei einer fünfstündigen Session: Eine Wiederholung (wenn überhaupt).

Bei 6x 15 Minuten: Sechs Kontaktpunkte mit dem Stoff. Sechs Chancen zur Verfestigung.

3. Motivation bleibt hoch

15 Minuten fühlen sich machbar an. 5 Stunden fühlen sich nach Berg an.

Die Forschung zeigt: Microlearning erhöht Motivation und Engagement durch den Vorteil der Flexibilität. Du kannst Lerneinheiten in deinen Alltag integrieren: In der Bahn, in der Kaffeepause, vor dem Schlafen.

4. Perfekt für volle Terminkalender

In der medizinischen Ausbildung sind starre Anwesenheitspflichten, Schichtdienste und volle Stundenpläne die Norm. Wo sollst du fünf freie Stunden am Stück hernehmen?

Microlearning passt in deine Realität: Flexibler Zugriff, orts- und zeitunabhängig. Besonders wichtig in hochfrequentierten Terminkalendern.

5. Angepasst an die Generation Z

Kurze, prägnante Inhalte passen zum schnelllebigen Lebensstil der aktuellen Generation in Studium und Ausbildung. Das ist keine Kritik an vermeintlich kurze Aufmerksamkeitsspannen – es ist Anpassung an eine Realität, in der Information überall und jederzeit verfügbar ist.


Funktioniert das auch in der Medizin?

Absolut. Microlearning wurde nicht nur irgendwo, sondern konkret in der medizinischen Ausbildung getestet – in Fächern wie Anatomie, Pharmakologie, Biochemie und Physiologie.

Ein Beispiel: Eine Gruppe Pflegestudierender bekam zusätzlich zu ihrem normalen Unterricht kurze Lernvideos. Die Kontrollgruppe nur den klassischen Unterricht. Beide Gruppen lernten dazu – aber die Microlearning-Gruppe entwickelte etwas entscheidendes: Mehr Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten.

Und genau das ist im medizinischen Kontext Gold wert. Wenn du dir zutraust, eine Notfallsituation zu meistern, handelst du kompetenter. Wenn du weißt, dass du das Wissen schnell abrufen kannst, bist du entspannter.

Das gilt übrigens auch für seltene Fähigkeiten: Vor einem komplizierten Eingriff oder einer selten durchgeführten Prozedur kannst du dir in 10 Minuten die wichtigsten Schritte nochmal anschauen – statt stundenlang in Lehrbüchern zu wühlen.


Wie du Microlearning konkret umsetzt

Du brauchst keine spezielle App oder Plattform, um das Prinzip zu nutzen. Hier sind praktische Tipps:

1. Zerlege deine Themen
  • Statt "Heute lerne ich Herzinsuffizienz" → "Heute: Pathophysiologie der Herzinsuffizienz"

  • Morgen: "Symptome und Diagnostik"

  • Übermorgen: "Therapieoptionen"

2. Setze klare Lernziele
  • Jede kurze Einheit braucht ein spezifisches Ziel

  • "Nach dieser Einheit kann ich die drei Hauptmechanismen der Herzinsuffizienz erklären"

3. Nutze verschiedene Formate
  • Videos (5-10 Min)

  • Karteikarten (10 Min)

  • Quizze (5 Min)

  • Kurze Textabschnitte (10 Min)

4. Integriere in deinen Alltag
  • Fahrt zur Uni: 15 Min Podcast

  • Mittagspause: 10 Min Quiz

  • Vor dem Schlafen: 15 Min Karteikarten

5. Wiederhole regelmäßig
  • Nicht einmal 5 Stunden, sondern sechsmal 15 Minuten über mehrere Tage

  • Jeder Kontakt mit dem Stoff festigt das Wissen

6. Kombiniere mit aktivem Lernen
  • Nicht nur konsumieren, sondern aktiv arbeiten

  • Nach jedem Video: Drei Fragen beantworten

  • Nach jedem Text: Zusammenfassung in eigenen Worten


Microlearning mit Ampullarium

Unsere Plattform ist von Grund auf für Microlearning konzipiert:

  • Lerneinheiten von 5-15 Minuten: Jede Einheit ein klares Lernziel

  • Fortschritt sichtbar: Du siehst, was du geschafft hast – und was noch kommt

  • Immer in der Tasche: Mobile App für Lernen unterwegs


Die Essenz: Qualität vor Quantität

Fünf Stunden am Stück zu lernen fühlt sich produktiv an. Aber ist es das auch?

Die Wissenschaft sagt: Nein. Sechs fokussierte 15-Minuten-Einheiten über mehrere Tage verteilt sind effektiver. 28% weniger Zeit. 20% bessere Ergebnisse.

Es geht nicht darum, wie lange du lernst. Es geht darum, wie effektiv du lernst.

Dein Gehirn ist kein Computer, der beliebig lange Informationen aufnehmen kann. Es braucht Pausen, Wiederholungen, verdauliche Häppchen.

Microlearning ist keine Abkürzung oder ein billiger Trick. Es ist Lernen im Einklang mit der Funktionsweise deines Gehirns.

Also: Schließ das Buch nach 15 Minuten. Mach was anderes. Komm später wieder. Dein zukünftiges Ich wird dir danken.

Quellen

Studien zu Microlearning, Definition und Kernelemente:

  • Monib, W. K., Qazi, A. & Apong, R. A. (2024). Microlearning Beyond Boundaries: A Systematic Review and a Novel Framework for Improving Learning Outcomes. Heliyon11(2). doi: https://doi.org/10.1016/j.heliyon.2024.e41413

  • Rof, A., Bikfalvi, A. & Marques, P. (2024). Exploring learner satisfaction and the effectiveness of microlearning in higher education. The Internet And Higher Education62. doi: https://doi.org/10.1016/j.iheduc.2024.100952

  • Samala, A. D., Bojic, L., Bekiroğlu, D., Watrianthos, R. & Hendriyani, Y. (2023). Microlearning: Transforming Education with Bite-Sized Learning on the Go—Insights and Applications. International Journal Of Interactive Mobile Technologies (iJIM), 17(21), S. 4-24. doi: https://doi.org/10.3991/ijim.v17i21.42951

  • Sankaranarayanan, R., Leung, J., Abramenka-Lachheb, V., Seo, G. & Lachheb, A. (2022). Microlearning in Diverse Contexts: A Bibliometric analysis. TechTrends67(2), S. 260–276. doi: https://doi.org/10.1007/s11528-022-00794-x

Review mit 2.228 Teilnehmenden zu Microlearning im Gesundheitsbereich:

  • De Gagne, J. C., Park, H. K., Hall, K., Woodward, A., Yamane, S. & Kim, S. S. (2019). Microlearning in Health Professional Education: Scoping Review. JMIR Medical Education5(2). doi: https://doi.org/10.2196/13997

Vergleichsstudie zu Lerneffizienz (28% weniger Zeit, 20% bessere Ergebnisse):

  • Giurgiu, L. (2017). Microlearning an Evolving Elearning Trend. Scientific Bulletin22(1), S. 18–23. doi: https://doi.org/10.1515/bsaft-2017-0003

Studie mit Pflegestudierenden zu Selbstwirksamkeit:

  • Zarshenas, L., Mehrabi, M., Karamdar, L., Keshavarzi, M. H. & Keshtkaran, Z. (2022). The effect of micro-learning on learning and self-efficacy of nursing students: an interventional study. BMC Medical Education, 22(1). doi: https://doi.org/10.1186/s12909-022-03726-8